Autonome Fahrzeuge | Autonomer Verkehr | Fahrerlose Transportsysteme
Laut aktuellem Stand der Technik soll es möglich sein, Fahrzeuge völlig autonom auf Level 5 betreiben zu können. Dies würde bedeuten, dass die Fahrgäste von der Aufsichtspflicht entbunden sind und die verbaute Technik sämtliche Verkehrssituationen bewältigen würde.
Viele Hersteller sind optimistisch und preisen medienwirksam ihre, mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten, autonomen Fahrzeuge an. Moderne autonome Fahrzeugtechnologien arbeiten auf Basis von mehreren installierten Kameras in Kombination mit einem konventionellen Radar und Laser-Radar (Lidar) System. Die Fahrzeuge greifen auch auf eine hochpräzise GPS-Einheit mit einem umfangreichen Set an Kartenmaterial zurück, welches teilweise auch selbst mit Hilfe der angebrachten Fahrzeugkameras erstellt wird.
Wirtschaftlicher Betrieb im ÖPNV nur auf Level 5 Basis möglich
Erste Pilotprojekte von autonomen Fahrzeugen im Linieneinsatz auf Level 4 Basis (vollautomatisiertes Fahren mit Begleitpersonal an Board für Notfälle) relativieren optimistische Einschätzungen auf eine baldige Ablöse des bemannten Individualverkehrs (IV) durch den autonomen Verkehr. Aktuell betriebene autonome Fahrzeuge im städtischen ÖPNV auf Level 4 Basis haben ausnahmslos Forschungs- und Testcharakter. Jedoch wird der autonome Verkehr auf Bodenniveau im ÖV nur wirtschaftlich betreibbar sein, wenn ein komplett unbemannter Betrieb auf Level 5 Basis (ohne Begleitpersonal an Board) möglich sein wird. Außerdem müssten die autonomen Fahrzeuge mit herkömmlichen Buskapazitäten (z.B. Midi-Bus, Standard-Bus, etc.) ausgestattet sein, um mehr Fahrgastvolumen bewältigen zu können. Denn wie soll der ÖPNV auf Straßenniveau mit autonomen Kleinfahrzeugen für bis zu 10 Fahrgäste ohne einen Ausbau der vorhandenen Straßeninfrastruktur funktionieren? Dieser wäre allerdings notwendig, um den generierten Mehrverkehr, hergerufen durch kleinere Fahrzeuggrößen bewerkstelligen zu können, ohne dass ein kompletter Kollaps im Innenstadtverkehr vorprogrammiert ist. Aber Platz für einen Infrastrukturausbau ist äußerst rar.
Künstliche Intelligenz und menschliche Intuition vertragen sich nicht
Allgemein betrachtet fehlt robotergesteuerten Fahrzeugen eine entscheidende Komponente gegenüber der Menschheit, nämlich die Intuition. Hierfür ein Beispiel: Ein Mensch trifft innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde eine Entscheidung unter Berücksichtigung von kognitiven, aber auch instinktiven, unbewussten Kriterien, was z.B. beim Auftreten eines plötzlichen Hindernisses, hervorgerufen durch einen Unfall, notwendig ist. Weicht er nach rechts in einen Graben aus und riskiert selbst einen erheblichen Schaden? Oder weicht er nach links aus und riskiert einen Crash mit dem Gegenverkehr? Oder reicht der vorhandene Bremsweg noch aus, um rechtzeitig zum Stehen zu kommen? Der Mensch entscheidet aufgrund von vielen Einflüssen auf unterschiedlichen Ebenen oftmals erfolgreich über das Ausmaß des geringsten Übels, was ein künstliches Wesen in diesem Ausmaß niemals hinbekommen wird. Denn in diesem Fall trifft künstliche Intelligenz auf menschliche Denkweise, oder Rationalität auf Intuition. Ob sich diese zwei „Spezies“ jemals vertragen und kompatibel sind, ist fraglich. Deshalb kann niemand vorhersagen, ob ein Mischbetrieb mit manuell gelenkten Fahrzeugen im dichten innerstädtischen Verkehr jemals umsetzbar ist und auch entsprechende Akzeptanz findet.
Wichtige Sicherheitsthemen und rechtliche Aspekte sind noch teilweise ungelöst
Viele zentrale Sicherheitsthemen (z.B. plötzlich auftretende Hindernisse durch Fußgänger, Unfälle, feste Gegenstände, etc.), Betriebsszenarien (Nachtbetrieb, Schneefall, Überholen, etc.), Rechtsaspekte (einheitliche Normen und Gesetze europa- bzw. weltweit, Anforderungen an Straßenverkehrsrecht), Haftplicht- und Versicherungsthemen sind noch weitgehend ungelöst.
Technologiefortschritt schneller als Entwicklung des Rechtsrahmens
Die technologische Entwicklung eilt dem rechtlichen Rahmen voraus. Es gibt aber auch Länder, wie z.B. Deutschland, wo der Gesetzgeber schon früh rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen hat, die autonomen Verkehr in einer kontrollierten und sicheren Umgebung ermöglichen. Somit sind autonome Fahrzeuge auf Level 4 Basis im öffentlichen Straßenverkehr grundsätzlich zugelassen – allerdings nur in definierten Bereichen (z.B. Shuttle-Busse mit Begleiter auf festgelegten Strecken von A nach B).
Der Mensch trägt die Letztverantwortung
Bzgl. Unfallhaftung sind sich die juristischen Experten einig: Maschinen oder künstliche Wesen können niemals juridisch haftbar gemacht werden. Im Hinblick darauf, dass zukünftig autonome Fahrzeuge auf Level 4 oder Level 5 betrieben werden sollen, birgt diese Aussage enormes Konfliktpotential und kann einen entscheidenden Knackpunkt für das autonome Fahren darstellen. Denn die Suche nach möglichen Fehlerquellen im Unfallfall wird äußerst komplex. Ob sich z.B. Technologiefehler, Kommunikationsfehler, Wartungsfehler, Kartenfehler, Netzfehler, Infrastrukturfehler oder Bedienerfehler im Unfallfall, zur Beurteilung wer letztendlich haften muss, zweifelsfrei lokalisieren lassen, darf bezweifelt werden.
Ländliche Gebiete sind richtige Spielwiese für autonomes Fahren
Ein ÖV-Betrieb von autonomen Shuttle-Bussen im Mischverkehr auf Level 5 Basis in ländlichen Gebieten und gering frequentierten Straßen ist zukünftig (2030+) vorstellbar. Jedoch ist ein Level 5 Betrieb von autonomen Fahrzeugen im innerstädtischen Mischverkehr unter realen Bedingungen, aufgrund der vorhandenen Verkehrskomplexität und Menschansammlungen und des daraus resultierenden Gefahrenpotentials, nur schwer vorstellbar. Folglich kann autonomer Verkehr auf Level 5 realistischerweise nur in abgegrenzten Stadtarealen stattfinden, wo ausschließlich autonome Fahrzeuge verkehren.
Rufbusse oder On-Demand Shuttle-Busse sind gute Lösungen für 24h-Betrieb
Gerade in Kleinstädten, Kommunen, Gemeinden und ländlichen Regionen muss der ÖV zukünftig flexibler gestaltet werden. Dabei werden Rufbusse (On-Demand Shuttle-Busse) mit flexibler Streckenführung, welche rund um die Uhr verkehren, eine wichtige Rolle einnehmen. Zudem sind Rufbusse ein perfektes Anwendungsgebiet für die stattfindende Digitalisierung im ÖPNV. Wenn man einen Bus braucht, sollte er innerhalb einer definierten Zeitfrist kommen und innerhalb einer akzeptablen Fahrzeit zur gewünschten Ausstiegstelle fahren. Der Rufbus holt die Fahrgäste an definierten Haltepunkten ab, es gibt aber keine fixen Netzpläne mehr. Im Hintergrund berechnet eine ausgeklügelte Software immer die aktuelle und schnellste Route. Das heißt nicht zwingend, dass man beim bemannten Betrieb mehr Personal benötigt, da die Software den Personalbedarf optimieren kann.